Alltagsmagazin.de

News und Tipps aus allen Lebensbereichen

Herbst 2021: Droht in Deutschland ein „Lockdown für Arme“?

Bronze figurine of Lady Justice with her scales

Die neuen Coronaschutzverordnungen enthalten teilweise Regelungen, die nach einem „Lockdown für Arme“ aussehen. Ursache sind die dort enthaltenen Testpflichten.

Nach den jüngsten Beschlüssen der Bundesregierung sollen die Coronatests ab dem 11. Oktober 2021 nicht mehr grundsätzlich kostenlos sein. Deshalb befürchten viele Menschen bereits einen „Lockdown für Arme“, weil sich viele einkommensschwache Familien die Testkosten nicht leisten können. Außerdem steht die Frage, ob es überhaupt sinnvoll ist, die Kostenübernahme für die Tests ausgerechnet dann zu stoppen, wenn sich Deutschland nach den aktuellen Prognosen des RKI mitten in der vierten Welle befindet.

Wo finden sich bereits Anzeichen für einen „Lockdown für Arme“?

Ein Beispiel ist die ab dem 20. August 2021 geltende Neuregelung in der Coronaschutzverordnung des Bundeslands Nordrhein-Westfalen. Dort findet sich im Absatz 3 des Paragrafen 4 der Hinweis, dass bei einigen Dingen sogar ein PCR-Test für ungeimpfte Personen gefordert wird. Besonders interessant ist der Passus, dass die PCR-Testpflicht sogar für „private Feiern mit Tanz“ gilt. Eine Ausnahme für Kinder ist dort nicht integriert, denn es ist lediglich von „nicht immunisierten Personen“ die Rede. Ein Praxisbeispiel zeigt, welche finanziellen Konsequenzen das für Familien haben könnte. Möchte ein Paar mit 3 Kindern eine private Feier mit Tanz in Nordrhein-Westfalen besuchen, fallen zusätzliche Aufwendungen in Höhe von mehr als 200 Euro an. Der Grund sind die zu erwartenden Kosten für die verschiedenen Coronatests. Dabei werden sich die Anbieter an den Erstattungen orientieren, die sie aktuell von den gesetzlichen Krankenkassen erhalten. Das sind für Schnelltests im Schnitt 11,50 Euro und für PCR-Tests knapp 44 Euro. Das belegt bereits, dass der Herbst 2021 zumindest einen teilweisen „Lockdown für Arme“ bringen wird, wenn es bei den aktuellen Regelungen bleibt.

Machen Unterschiede bei den Testpflichten überhaupt Sinn?

Dazu gibt es sehr verschiedene Meinungen. Die Vergünstigungen für geimpfte Personen erscheinen unlogisch beim Gedanken daran, dass sie trotz der Immunisierung das Coronavirus übertragen können. Nach dem bisherigen Wissensstand ist bei ihnen lediglich die anzutreffende Viruslast geringer als bei ungeimpften Infizierten. Die Zahl der sogenannten Impfdurchbrüche steigt in Deutschland täglich, wie die offiziellen Daten des RKI belegen. Von Anfang Februar bis Mitte August 2021 gab es in Deutschland bereits knapp 11.000 Fälle einer mit klinischen Symptomen verbundenen COVID-19-Erkrankung nach einer vollständig erfolgten Immunisierung. Sie treten quer durch alle verwendeten Vakzine auf. Ein noch größeres Problem ist die Tatsache, dass viele Geimpfte Coronaviren übertragen können, ohne dass sie das durch die Symptomfreiheit überhaupt erkennen können.

Differenzierung zwischen Geimpften und Ungeimpften wirft rechtliche Fragen auf

Zudem steht die Frage im Raum, ob diese Unterschiede zwischen geimpften und nicht geimpften Personen mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz im Grundgesetz vereinbar sind. Dabei ist vor allem zu bedenken, dass es in Deutschland keine allgemeingültige Pflicht zur Coronaimpfung gibt. Nur sie würde nach der Meinung zahlreicher Rechtsexperten eine solche Differenzierung rechtfertigen. Hinzu kommt eine mit Blick aufs Grundgesetz kritische Benachteiligung der Bezieher von Sozialleistungen, da dort Kosten für PCR-Tests in den aktuell gültigen Bedarfssätzen nicht enthalten sind. Bisher ist nicht klar, ob sie als atypischer Bedarf geltend gemacht werden können. Mit Blick darauf handelt es sich beim Beispiel Nordrhein-Westfalen tatsächlich um einen teilweisen „Lockdown für Arme“, da sie aufgrund ihrer Einkommenssituation sogar von größeren privaten Feiern ausgeschlossen werden. Es ist zu befürchten, dass andere Bundesländer ähnliche Regelungen wie NRW treffen.

Quelle: Coronaschutzverordnung NRW, RKI

About Author