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Verfassungsbeschwerde zum Off-Label-Use von Medikamenten gescheitert

Bronze figurine of Lady Justice with her scales

Menschen mit seltenen Erkrankungen stehen vor vielen Problemen. Nun zerstörte eine abgelehnte Verfassungsbeschwerde zum Off-Label-Use weitere Hoffnungen.

Unter dem Aktenzeichen 1 BvR 1790/23 lehnte das Bundesverfassungsgericht im Herbst 2023 eine Verfassungsbeschwerde zum Off-Label-Use von Medikamenten ab, bei denen es berechtigte Hoffnungen gibt, dass sie die Symptome seltener Erkrankungen lindern könnten. Das heißt, die Kosten für das Präparat müssen die Eltern des betroffenen Kindes also selbst zahlen. Die Frage ist, wie lange sie sich das leisten können, denn nach den Angaben in der Begründung der Ablehnung liegt der Preis bei mehreren Tausend Euro pro Monat.

Nur ein Medikament wurde im Off-Label-Use von der Krankenkasse übernommen

Angesichts des steigenden Kostendrucks ist es logisch, dass die Krankenkassen sehr genau prüfen, ob die Übernahme bei einem Off-Label-Use rechtlich möglich und vertretbar wäre. Das Kind, dessen Eltern die Verfassungsbeschwerde einreichten, leidet an einer GM2-Gangliosidose, alternativ Morbus Tay-Sachs genannt. Eine ursächliche Therapie gibt es weltweit derzeit nicht. Auch grundsätzliche Empfehlungen zur Behandlung der damit verbundenen Symptome liegen aktuell nicht vor. In einem ersten Schritt genehmigte die Krankenkasse die Kostenübernahme für einen Off-Label-Use des Präparats Tanganil. Zu dem dort enthaltenen Wirkstoff Acetyl-DL-Leucin liegt unter anderem eine Studie der Universität München vor, die positive Aspekte bei Ataxie-Symptomen bescheinigte. Solche Symptome treten auch bei Morbus Tay-Sachs auf.

Kostenübernahme für ein zweites Präparat wurde abgelehnt

In einem zweiten Schritt forderten die Eltern des Kindes eine Kostenübernahme für Miglustat im Off-Label-Use. Dabei handelt es sich um einen Wirkstoff, der eine Zulassung zur Behandlung von Morbus Gaucher, Morbus Pompe und der Niemann-Pick-Krankheit besitzt. Bei diesen Erkrankungen liegen Fehlsteuerungen des Stoffwechsels vor, die denen von Morbus Tay-Sachs ähnlich sind. Doch die Krankenkasse lehnte den Antrag ab. Daraufhin zogen die Eltern vor Gericht und setzten die Medikation im Wege einer Einstweiligen Anordnung durch. Diese wurde durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aufgehoben. Eine Beschneidung der Rechte nach dem Artikel 2 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland sehen sie darin nicht, auch wenn das Medikament bei einer Verordnung als Privatrezept pro Monat knapp 5.100 Euro kostet und sich die Kosten mit steigendem Körpergewicht des Kindes weiter erhöhen.

Hauptproblem beim Off-Label-Use: Wirksamkeitsstudien

Die Kosten für einen Off-Label-Use von Medikamenten können nur im Wege der Einzelfallentscheidungen beim Vorliegen von Nachweisen zur Wirksamkeit getragen werden. Diesbezüglich sind sich die Krankenkassen und die Richter/-innen des Bundesverfassungsgerichts einig. Genau an dieser Stelle stoßen Menschen mit seltenen Erkrankungen an Grenzen. Morbus Tay-Sachs ist so derart selten, dass sich teure Forschungen weder für Universitäten noch für die Pharmaindustrie lohnen. Folglich ist das Beibringen von Wirksamkeitsnachweisen zumeist unmöglich.
Dabei kommt ein weiteres Problem hinzu. In Deutschland werden die Resultate ausländischer Studien von den Medizinischen Diensten, Gutachtern und Gerichten nicht oder erst mit mehrjähriger Verzögerung anerkannt, obwohl sie repräsentativen Charakter haben und auch den in Deutschland und der gesamten Europäischen Union geltenden Mindestanforderungen genügen. Ein Beispiel ist die Kostenübernahme für Metformin im Off-Label-Use bei Fibromyalgie. Doch diese Betroffenen haben einen entscheidenden Vorteil, denn Metformin kostet lediglich rund 20 Euro pro Quartal und ist damit für jedermann erschwinglich.

Quelle: Bundesverfassungsgericht

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