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Risiko für Parkinson durch Blinddarmentfernung senken?

Forscher haben schon lange vermutet, dass die Ursache für die gefürchtete Parkinson-Erkrankung im Verdauungstrakt liegt. Jetzt hat eine Studie diesen Verdacht untermauert: Menschen, denen der Blinddarm entfernt wurde, leiden demnach seltener unter der Erkrankung. Trotzdem warnen die Forscher vor einer präventiven Blinddarmentfernung.

Besonders deutlich sank das Risiko für Parkinson bei Patienten, wenn der Blinddarm bereits in jungen Jahren entfernt wurde. Sie hatten ein um 20 bis 25 Prozent verringertes Risiko, an Parkinson zu erkranken. Auch wenn die Erkrankung ausbricht, erfolgt dies bei Patienten ohne Blinddarm im Schnitt fast vier Jahre später als bei Patienten mit Blinddarm.

Steht ein Protein im Blinddarm mit Parkinson in Verbindung?

Die Studie haben die Wissenschaftler rund um Bryan Killinger vom Van Andel Research Institute in Grand Rapids im US-Bundesstaat Michigan jetzt im Fachblatt „Science Translational Medicine“ veröffentlicht. Sie gehen davon aus, dass sich das Protein Alpha-Synuclein in einer fehlgefalteten Form im Blinddarm ansammelt und dieses wird schon länger als Ursache für Parkinson diskutiert.

Nach der Alzheimerkrankheit gilt Morbus Parkinson, wie der vollständige Name lautet, als zweithäufigste neurodegenerative Erkrankung. Auch in Deutschland sind derzeit etwa 220.000 Menschen von Parkinson betroffen. Typische Bewegungsstörungen, wie das Zittern, eine Muskelsteifheit und ähnliches, führen oft zur Diagnose. Doch dann ist meist das Hirnareal Substantia nigra bereits betroffen. Dieses ist im menschlichen Körper maßgeblich an der Koordinierung der Bewegungen beteiligt.

Das Protein Alpha-Synuclein kommt in den Nervenzellen vor. Es kann verklumpen und Ablagerungen bilden, darunter auch die Lewy-Körperchen in der Substantia nigra. Sie gelten als Hauptmerkmal für eine vorliegende Parkinson-Erkrankung. Die Verklumpungen sollen bereits Jahrzehnte vor Ausbruch der Erkrankung im Verdauungstrakt beginnen, wie manche Forscher vermuten. Erst im Laufe der Zeit sollen sie sich demnach über das Nervensystem bis hin zum Gehirn ausbreiten.

Die Grundlagen der aktuellen Studie

Für die aktuelle Studie haben die Wissenschaftler zwei schwedische Datensätze ausgewertet: Im ersten waren Gesundheitsdaten von 1,7 Millionen Schweden erfasst, im zweiten die Daten von 850 Parkinson-Patienten. Im Ergebnis zeigte sich: Wurde den Patienten im Kindesalter der Blinddarm entfernt, sank ihr Risiko, an Parkinson zu erkranken, um gut 20 Prozent. Der Unterschied kletterte in den ländlichen Regionen sogar auf 25 Prozent. Allerdings ist dort das Risiko aufgrund vermehrter Kontakte mit Pestiziden ohnehin erhöht.

Ebenfalls zeigten sich Unterschiede beim Alter, in dem die Erkrankung ausbrach: Bei Patienten, denen der Blinddarm sehr früh entfernt wurde, brach die Krankheit im Durchschnitt 3,6 Jahre später aus als bei Patienten mit Blinddarm. Allerdings gelten die Daten lediglich für die sporadische Form von Parkinson, die sehr häufig vorkommt. Die nur sehr seltene, erblich bedingte Form von Parkinson wurde nicht untersucht.

Blinddarm-Untersuchungen folgten

Außerdem untersuchten die Forscher in einem zweiten Schritt die Blinddärme gesunder Menschen. Dabei wurden Patienten unterschiedlichster Altersgruppen herangezogen. Insbesondere der Wurmfortsatz des Blinddarms, der auch als Appendix vermiformis bezeichnet wird, wurde untersucht. Bei insgesamt 46 der 48 Untersuchten zeigte der Wurmfortsatz Verklumpungen von Alpha-Synuclein. Das galt sogar für die jungen Patienten unter 20 Jahren.

Viviane Labrie, Leiterin der Studie, zeigte sich „überrascht, dass die pathogenen Formen von Alpha-Synuclein so verbreitet waren“. Im Blinddarm scheinen die für das Gehirn toxisch wirkenden Verklumpungen offenbar normal zu sein. Daher kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass alleine das Vorkommen der Verklumpungen als Ursache von Parkinson zu sehen ist. Trotzdem geht auch Labrie davon aus, dass der Blinddarm in Beziehung zur Erkrankung steht.

Blinddarm nicht vorsorglich entfernen lassen

Ausdrücklich warnen die Forscher und weitere Experten jedoch davor, den Blinddarm vorsorglich entfernen zu lassen. Wie Wolfgang Oertel, Neurologe an der Uniklinik Marburg, erklärte, müsse man Tausende junge Menschen operieren, um nur einen einzigen Parkinson-Fall im späteren Leben zu verhindern. Da stünden Aufwand und Ergebnis in keiner Relation zueinander.

Quelle: dpa

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