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BGH-Urteil: Bodenrelief an der Stadtkirche Wittenberg darf bleiben

Bronze figurine of Lady Justice with her scales

Der Kläger, der die Entfernung der „Wittenberger Sau“ an der Stadtkirche forderte, ist vor dem BGH gescheitert. Wir haben das Urteil genauer angeschaut.

Im Verfahren mit dem Aktenzeichen BGH VI ZR 172/20 forderte der Kläger die Entfernung des Reliefs mit dem Namen „Wittenberger Sau“. Er pflegt den jüdischen Glauben und stuft das Relief als Beleidigung aller Menschen mit jüdischem Glauben ein. Deshalb forderte er die Entfernung des Reliefs. Hilfsweise sollte der Bundesgerichtshof feststellen, dass es sich mit dieser Darstellung um eine Straftat nach den Regelungen im Paragrafen 185 des Strafgesetzbuchs (Beleidigung) handelt. Die Karlsruher Richterinnen und Richter lehnten beide Forderungen ab.

Wie begründet der BGH die Entscheidung zur „Wittenberger Sau“

Bei der „Wittenberger Sau“ handelt es sich um ein Spottbildnis, das sich bereits seit dem Jahr 1290 an der Außenseite der Stadtkirche Wittenberg befindet. Das Bodenrelief zeigt zwei Menschen (durch ihre Kopfbedeckung als Menschen jüdischen Glaubens erkennbar), die an den Zitzen einer Sau saugen. Ein dritter Mensch schaut sich das Hinterteil der Sau an. Das Schwein gilt im jüdischen Glauben als unrein. Deshalb fühlt sich der Kläger verspottet und beleidigt. Im Jahr 1988 wurde im Umfeld des Reliefs eine Mahntafel angebracht, deren Text an die antijüdischen Schriften von Martin Luther und die zahlreichen Judenverfolgungen in der Geschichte erinnert. Der Bundesgerichtshof betrachtete das als Gesamtkomplex und sah deshalb keinen Anspruch auf eine Beseitigung des Reliefs. Das kommt in der Urteilsbegründung dadurch zum Ausdruck, dass es dort heißt, die rechtsverletzende Wirkung sei durch die Anbringung der Mahntafel im Jahr 1988 beseitigt worden. Damit hätte sich die Kirchgemeinde von den Inhalten der verächtlichen Darstellung distanziert und es in ein „Zeugnis für die Jahrhunderte währende judenfeindliche Geisteshaltung“ umgewandelt.

Wissenswertes zur Stadtkirche Wittenberg

Die Stadtkirche Wittenberg (alias Kirche St. Marien“ wurde bereits zum Ende des 12. Jahrhunderts in einer historischen Urkunde erwähnt. Sie steht seit dem Jahr 1996 auf der Liste der durch das UNESCO-Kulturerbe schützenswerten Objekte und wurde von 2010 bis 2014 einer umfassenden Sanierung und Restauration unterzogen. Bereits 1983 erhielt die Stadtkirche Wittenberg eine neue Orgel mit 23 Registern. Auch die drei Glocken aus den Jahren 1422 sowie 1583 und 1625 wurden saniert und 2003 um eine vierte Glocke ergänzt. Weltweit bekannt wurde die Stadtkirche Wittenberg durch Martin Luther, der dort von 1522 bis 1524 als Prediger agierte. Aber auch aus neuerer Zeit bekannte Persönlichkeiten sind mit der Kirche St. Marien verbunden. Dazu gehört beispielsweise der Moderator und Sänger Gunther Emmerlich, der eine Spendenaktion für die Sanierung der Kirche ins Leben rief.

Quelle: BGH VI ZR 172/20

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