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Texas City Desaster: Die Sammelklage feiert 70-jährige Geschichte

Den Begriff Sammelklage kennt das deutsche Recht nicht. Hier sind nur die sogenannten Prozessverbindungen oder Streitgenossenschaften sowie die Verbandsklagen möglich. Erste Ansätze zur Schaffung der Möglichkeit einer echten Sammelklage gibt es lediglich im Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz. Anders präsentiert sich die Rechtlage in den Vereinigten Staaten. Hier können sich ganze Gruppen von Geschädigten zur Führung eines gemeinsamen Prozesses zusammenschließen. Typische Beispiele für solche Fälle sind Schadenersatzforderungen nach Flugzeugabstürzen, Produktfehlern oder (wie im Falle von Volkswagen) nach dem Bekanntwerden von Manipulationen. Der Grund für diesen gravierenden Unterschied ist, dass es im deutschen Recht keine sogenannte Gruppenbetroffenheit gibt.

Was lag der ersten Sammelklage zugrunde?

Anlass der ersten Sammelklage in den USA war das Texas City Desaster. Diese Katastrophe ereignete sich am 16. April 1947 im Hafen von Texas City. Dabei waren 581 Tote und rund 5.000 Verletzte zu beklagen. Rund 2.000 Menschen im Umfeld des Hafens verloren das Dach über dem Kopf und mehr als 1.000 Fahrzeuge wurden zerstört oder beschädigt. Grund der Schäden waren Explosionen auf den Schiffen „Grandcamp“ und „High Flyer“, welche beide zusammen Aluminiumnitrat und Schwefel zur Verwertung als Düngemittel geladen hatten. Zusammen mit dem angrenzenden Lager kamen 3.200 Tonnen Aluminiumnitrat und 1.800 Tonnen Schwefel zusammen. Außerdem hatte die „Grandcamp“ Munition an Bord, wodurch das Ausmaß der Explosion vergrößert wurde. Nach dem Texas City Desaster schlossen sich 8.485 Opfer zusammen, um gemeinsam Schadenersatz von der amerikanischen Regierung einzuklagen. Dieses Verfahren wurde zur ersten Sammelklage mit einer „class action“ nach dem heutigen Verständnis.

Was entspricht der Sammelklage im deutschen Recht?

Die größten Ähnlichkeiten mit der Sammelklage nach amerikanischem Vorbild hat in Deutschland die „aktive Streitgenossenschaft“ auf der Grundlage der Paragrafen 59 ff. der Zivilprozessordnung. Hier kann die Streitgenossenschaft vom zuständigen Gericht geschaffen werden, indem eine Zusammenführung mehrerer Klagen aus dem gleichen Grund gegen einen Beklagten angeordnet wird. Grundlage dafür ist der Paragraf 62 der Zivilprozessordnung, welcher sich mit der „notwendigen Streitgenossenschaft“ beschäftigt. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass es nur ein einheitliches Urteil in allen zusammengefassten Streitfällen geben kann. Diese Möglichkeit wurde geschaffen, um den Gerichten die Notwendigkeit von Mehrfachverhandlungen über den gleichen Sachverhalt zu ersparen.

Quelle: texascity-library.org, ZPO

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