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BGH-Urteil zum Schmerzensgeld: Individuelle Ermittlung steht im Fokus

Dürfen zustehende Ansprüche beim Schmerzensgeld rein mathematisch errechnet werden? Diese Frage verneint ein aktuelles BGH-Urteil.

Am 15. Februar 2022 fiel ein interessantes BGH-Urteil zum Schmerzensgeld (Aktenzeichen VI ZR 937/20). Konkret ging es um die Frage, wie die Höhe der zustehenden Schmerzensgeldansprüche ermittelt werden muss und darf. Die grundsätzliche und ausschließliche Berechnung der Ansprüche mit verschiedenen Tagessätzen lehnten die Bundesrichter/-innen dabei ab. Diese Vorgehensweise wurde erstmals im Jahr 2018 in einem Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt (Aktenzeichen 22 U 97/16) angewendet. Sowohl im damaligen als auch im aktuellen Urteil ging es um die Regulierung von körperlichen Schäden als Folge eines Verkehrsunfalls.

Welche Meinung vertritt der BGH zur Ermittlung des Schmerzensgelds?

Für den aktuellen Fall war als Vorinstanz ebenfalls das Oberlandesgericht Frankfurt (Aktenzeichen 22 U 244/19) zuständig. Die dortigen Richter/-innen hatten genau wie damals eine taggenaue Berechnung auf rein mathematischer Grundlage vorgenommen. Darin sehen die Mitglieder/-innen des VI. Senats des Bundesgerichtshofs keine vollständige Würdigung der Bestimmungen des Paragrafen 287 der Zivilprozessordnung. Er schreibt eine Bemessung des Schmerzensgeldanspruchs „unter Würdigung aller Umstände“ vor. Das heißt, er stellt auf eine individuelle Bewertung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls ab. Bei der taggenauen Berechnung des Schmerzensgelds bleiben das Ausmaß der erlittenen Schäden, die dauerhaften Beeinträchtigungen sowie das Ausmaß der Schuld der jeweiligen Unfallverursacher außen vor. Außerdem bemängelt der Bundesgerichtshof die Bemessung der Tagessätze am allgemeinen Durchschnittseinkommen und die insofern fehlende Berücksichtigung des individuellen Einkommens sowie der durch die Unfallfolgen bei den Geschädigten tatsächlich entstehenden Einkommensminderungen.

Wessen Rechte werden durch das BGH-Urteil zum Schmerzensgeld gestärkt?

Vorteile aus diesem Leiturteil zum Schmerzensgeld können sowohl Geschädigte als auch Versicherungen ziehen. Der BGH verweist in der Urteilsbegründung einerseits darauf, dass das OLG Frankfurt als Vorinstanz Abschläge vorgenommen hat, weil bei dem betroffenen Unfallopfer Vorerkrankungen vorgelegen haben. Andererseits verzichtete das OLG Frankfurt auf die möglichen Zuschläge, die sich aus dem Gesamtumfang der Körperschäden ergeben können. Außerdem blieb das individuelle Ausmaß der Schuld des Unfallverursachers durch den Verzicht auf diese Zuschläge außen vor. Beide Vorinstanzen (neben dem OLG Frankfurt auch das Landgericht Darmstadt, Aktenzeichen 2 O 227/14) hatten übereinstimmend „besonders schwerwiegende Verfehlungen“ des Unfallverursachers festgestellt. Wie hoch das Schmerzensgeld endgültig ausfällt, steht aktuell noch nicht fest, denn darüber muss nun das OLG Frankfurt erneut entscheiden.

Quelle: BGH Aktenzeichen VI ZR 937/20

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