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Was macht das BGH-Urteil zur Probefahrt beim Autokauf so brisant?
Der BGH stufte in der Urteilsbegründung die Überlassung des Fahrzeugs nebst Schlüssel und Papieren wörtlich als „Besitzübergang auf den Kaufinteressenten“ ein. Im konkreten Fall hatte der Täter das Fahrzeug behalten, es mit gefälschten Papieren auf einer Online-Plattform erfolgreich zum Verkauf angeboten und es an die Beklagte des Verfahrens verkauft. Die Beklagte wurde erst stutzig, als ein Versuch der Zulassung scheiterte, weil das Fahrzeug von dem geprellten Autohändler als gestohlen gemeldet worden war. Als der Autohändler davon Kenntnis erhielt, verlangte er von der Beklagten die Herausgabe des Fahrzeugs. Die Beklagte hielt dagegen und verlangte im Wege der Widerklage die Herausgabe der originalen Fahrzeugpapiere und des fehlenden Zweitschlüssels. Wer ist nun im Recht? Nach dem BGH ist es die Käuferin des Fahrzeugs, weil sie in diesem Fall gutgläubig gehandelt hat (Paragraf 932 BGB). Der Autohändler hat demnach keinen Anspruch auf die Rückgabe des Fahrzeugs oder eine andere materielle Entschädigung durch die Käuferin. Die Richter schließen im BGH-Urteil V ZR 8/19 die Anwendung des Paragrafen 935 BGB aus, nachdem die Käuferin glaubhaft machen konnte, dass die Fahrzeugpapiere für sie nicht als Fälschungen erkennbar waren.
Welche Rolle spielen die Paragrafen 855 und 868 BGB?
Beide Rechtsnormen enthalten Regelungen zum Besitzstand. Der Autohändler ging davon aus, dass der Täter durch die Übergabe des Fahrzeugs zu einer unbegleiteten Probefahrt lediglich ein sogenannter Besitzdiener nach dem Paragrafen 855 wurde. Das würde ein Verbleiben sämtlicher aus dem Besitz resultierenden Rechte beim Autohändler bedeuten. Doch die Bundesrichter sahen die Sachlage anders. Obwohl der Täter während der Probefahrt an die Weisungen des Autohändlers gebunden ist, sind sie der Meinung dass ein mittelbarer Besitz nach dem Paragrafen 868 BGB entsteht.
Auf die strafrechtlichen Aspekte geht der BGH in der Urteilsbegründung nicht konkret ein. Wegen Verneinung der Anwendbarkeit des Paragrafen 935 BGB scheidet jedoch eine Verurteilung des Täters wegen Diebstahl nach 242 StGB aus. Durch den Verkauf des Fahrzeugs durch den Täter kommt alternativ seitens des Autohändlers eine Ahndung auf der Basis eines Strafantrags nach 246 StGB (Unterschlagung) in Betracht. Unabhängig davon hat sich der Täter gegenüber der gutgläubigen Käuferin der Vortäuschung falscher Tatsachen nach 263 StGB sowie der Urkundenfälschung (267 StGB) schuldig gemacht.
Quelle: Bundesgerichtshof PM 122/2020, Strafgesetzbuch
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