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Regensburger Domspatzen – Skandal weitet sich aus

Der Skandal bei den Regensburger Domspatzen nimmt wesentlich größere Ausmaße an, als ursprünglich angenommen. Mindestens 547 Sänger des Chores sollen laut jetzt vorgelegtem Abschlussbericht Opfer körperlicher oder sexueller Gewalt geworden sein. Eine Mitschuld gibt der Abschlussbericht auch Georg Ratzinger, einstigem Domkapellmeister und Bruder von Papst Benedikt XVI. Ebenfalls übte der Bericht Kritik am früheren Bischof von Regensburg, Gerhard Ludwig Müller, der heute als Kardinal tätig ist.

Gewalt gegen Schüler bei Regensburger Domspatzen

Wie aus dem Abschlussbericht weiter hervorgeht, sei es vor allem in der Vorschule und im Gymnasium zu Gewalt gegenüber Schülern gekommen. Ulrich Weber, der mit der Aufklärung beauftragte Rechtsanwalt, erklärte, dass die betroffenen Schüler ihre Schulzeit als „Gefängnis, Hölle und Konzentrationslager“ beschrieben hätten. So seien körperliche Gewalt und Brutalität an der Tagesordnung gewesen. Zahlreiche Opfer schilderten ihre Zeit bei den Regensburger Domspatzen als „schlimmste Zeit ihres Lebens, geprägt von Angst, Gewalt und Hilflosigkeit“.

Gut 500 Betroffene sollen laut aktuellem Bericht von 1945 bis Anfang der 1990er Jahre Opfer körperlicher Gewalt bei den Regensburger Domspatzen geworden sein. Diese Form von Gewalt war jedoch auch schon damals, mit nur sehr wenigen Ausnahmen, verboten und strafbar. In insgesamt 67 Fällen soll es zudem zu sexueller Gewalt gekommen sein. Allerdings relativieren die Ermittler ihre Aussagen auch schnell wieder, weil die Dunkelziffer wohl deutlich höher liegen dürfte. Mittlerweile sind die Fälle zudem verjährt und strafrechtlich nicht mehr relevant. Insgesamt 49 Personen aus den Reihen der Regensburger Domspatzen wurden der Gewaltausübung beschuldigt, 45 von ihnen sollen körperliche und neun sexuelle Gewalt ausgeübt haben.

Wie Weber weiter erklärte, seien die Verstöße gegen strenge und zum Teil willkürlich ausgelegte Regeln bei den Regensburger Domspatzen oftmals die Auslöser für die Gewalt gewesen. Der Direktor der Vorschule und sein Präfekt seien in vielen Fällen verantwortlich gewesen. Dennoch müsse man davon ausgehen, dass fast alle Verantwortungsträger bei den Regensburger Domspatzen wenigstens teilweise über die Gewaltvorfälle Bescheid wussten. In diesem Zusammenhang sprach Weber auch von einer „Kultur des Schweigens“. Lediglich der Schutz der Domspatzen habe interessiert, diesen Vorwurf müsse sich auch der damalige Chorleiter Ratzinger gefallen lassen, der weggeschaut habe und trotz Kenntnis der Vorfälle nicht eingeschritten war.

Bereits 2010 wurde der Skandal bekannt. Damals war Gerhard Ludwig Müller Kardinal und leitete die Aufarbeitung des Skandals in die Wege. Allerdings sei die Aufarbeitung mit vielen Schwächen belegt gewesen. Man habe keinen direkten Dialog mit den Opfern gesucht. Daher müsse auch Müller eine deutliche Verantwortung für die organisatorischen, strategischen und kommunikativen Schwächen zugeschrieben werden.

Entschuldigung der Domspatzen – kann das reichen?

Der heutige Generalvikar von Regensburg, Michael Fuchs, entschuldigte sich öffentlich bei den Opfern. Er räumte ein, es sei falsch gewesen, darauf zu warten, dass sich die Opfer meldeten, man hätte eher auf sie zugehen müssen. Auch Ratzinger selbst nimmt Anteil an den aktuellen Domspatzen-Ermittlungen. Er habe mit Ausnahme eines einzigen Falles nichts von sexueller Gewalt gewusst und auch das Ausmaß der körperlichen Gewalt falsch eingeschätzt. Ratzinger gab zudem zu, ein emotionaler Mensch zu sein und früher auch Ohrfeigen ausgeteilt zu haben. Das bedauere er mittlerweile und hat sich ebenfalls entschuldigt.

Der amtierende Bischof Rudolf Voderholzer, der 2013 seine Amtszeit in Regensburg begann, hat sich von Anfang an für eine Aufklärung des Domspatzen-Skandals eingesetzt. Jetzt sollen die Betroffenen wenigstens mit bis zu 20.000 Euro entschädigt werden. Die Gesamtsumme, die dabei ausgezahlt werden muss, schätzt Knud Hein vom Anerkennungsgremium auf rund 2,5 bis drei Millionen Euro. Aktuell lernen am Gymnasium der Regensburger Domspatzen 320 Schüler, von denen knapp die Hälfte auch das Internat besucht.

Quelle: dpa

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