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Bundesverfassungsgericht: Interessantes Urteil zur Beratungsbeihilfe

Darf die Beratungskostenbeihilfe im sozialrechtlichen Widerspruchsverfahren verweigert werden? Das Bundesverfassungsgericht hat Stellung bezogen.

Immer wieder machen Menschen die Erfahrung, dass die Beratungskostenbeihilfe im Widerspruchsverfahren von den zuständigen Amtsgerichten verweigert wird. Ein Betroffener zog vor das Bundesverfassungsgericht und erwirkte ein wegweisendes Urteil. Das Urteil mit dem Aktenzeichen 1 BvR 1370/21 verbessert die Chancen von Betroffenen, sich gegen falsche Bescheide der Träger von Sozialleistungen bereits im Widerspruchsverfahren durch anwaltliche Betreuung effizienter und erfolgreicher wehren zu können.

Welcher Sachverhalt liegt dem Urteil zur Beratungskostenbeihilfe zugrunde?

Der Beschwerdeführer wollte sich gegen einen Bescheid des zuständigen Jobcenters wehren, bei dem er die Verrechnung von Guthaben aus der Betriebskostenabrechnung für falsch hielt. Das Jobcenter hatte neben einer Rückforderung auch eine Verrechnung mit den Leistungen über einen Zeitraum von sechs Monaten hinweg angesetzt. Dass diese Vorgehensweise nicht rechtskonform ist, bestätigt auch die höchstrichterliche Rechtsprechung der jüngeren Zeit. Der Betroffene beantragte daraufhin Beratungskostenbeihilfe beim zuständigen Amtsgericht und legte unter anderem diese Begründung vor. Die Rechtspflegerin wies den Antrag mit der Begründung der „Mutwilligkeit“ ab und brachte den zusätzlichen Hinweis, dass eine anwaltliche Beratung im Widerspruchsverfahren nicht notwendig wäre. Das wollte sich der Betroffene nicht gefallen lassen und forderte eine richterliche Entscheidung. Auch der Richter wies den Antrag mit den gleichen Begründungen zurück. Er bemängelte zusätzlich, dass der Betroffene nicht genau darlegen könne, welche konkreten Fehler die Berechnung des Jobcenters enthalten würde. Auch nach dem Einlegen einer Anhörungsrüge änderte das Gericht diese Auffassung nicht. Deshalb legte der Betroffene eine Verfassungsbeschwerde ein.

Welche Position vertritt das Bundesverfassungsgericht zur Beratungsbeihilfe?

Die Richterinnen und Richter des Bundesverfassungsgerichts kamen zu dem Schluss, dass sich die Verweigerung der Beratungskostenbeihilfe im sozialrechtlichen Widerspruchsverfahren nicht mit den Bestimmungen des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vereinbaren lässt. Sie verweisen in ihrer Urteilsbegründung auf die Artikel 3 und 30 des Grundgesetzes. Sie machen keine Unterschiede bei der Unterstützung zur Wahrnehmung von Rechten im gerichtlichen und außergerichtlichen Verfahren. Zudem benennt der Paragraf 1 des Beratungshilfegesetzes ausdrücklich und wörtlich die Möglichkeit der Beratungshilfe „außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens“.
Die Versagung der Beratungshilfe unter Verweis auf die „Mutwilligkeit“ greift im konkreten Fall nicht, weil es sich um einen komplexen Sachverhalt handelt, der weitergehende Rechtskenntnisse erfordert. Mit der Ablehnung des Beratungshilfeantrags verstößt das zuständige Amtsgericht gegen den im Grundgesetz verankerten Anspruch der Rechtswahrnehmungsgleichheit. Das trifft insbesondere deshalb zu, weil der Betroffene bei der Antragstellung bereits konkrete Punkte benannt hatte, nach denen er die vom Jobcenter vorgenommene Berechnung für falsch hielt.

Quelle: Bundesverfassungsgericht 1 BvR 1370/21

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