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Behinderte bei Hartz IV auch zukünftig benachteiligt

Bundessozialministerin Andrea Nahles machte in einem Statement gegenüber dem „Report Mainz“ deutlich, dass sie auch künftig an den Abzügen bei Hartz IV für Leistungsberechtigte mit Beeinträchtigungen festhalten will. Sie bekommen derzeit den Grundbedarfssatz bei Hartz IV um achtzig Euro pro Monat gekürzt. Prekär ist die Haltung der Sozialministerin allein schon deshalb, weil es allein im Jahr 2014 mehrere Entscheidungen des Bundessozialgerichtes in Kassel mit den Aktenzeichen B 8 SO 12/13 R, B 8 SO 31/12 R sowie B 8 SO 14/13 R gegeben hat, die sich gegen diese Praxis richteten. Experten für Sozialrecht sehen in dieser Vorgehensweise bei der Berechnung der Leistungen der Grundsicherung bei Hartz IV sogar einen Verstoß gegen die Bestimmungen der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland.

Benachteiligungen bei Hartz IV treffen ganze Familien

Insgesamt gibt es in Deutschland derzeit rund 40.000 Betroffene, bei denen der Hartz-IV-Satz auf diese Weise gekürzt wird. Die Familien trifft es gleich doppelt hart, denn zur Pflege von behinderten Menschen ist häufig eine Einschränkung der Berufsausübung oder sogar die komplette Aufgabe einer eigenen beruflichen Karriere notwendig. Die gesetzliche Grundlage dieser Kürzungen sind die im Jahr 2011 geänderten Stufen des Regelbedarfs. Professorin Anne Lenze ist als Sozialrechtlerin an der Hochschule Darmstadt tätig. Sie gehört zu denjenigen, von denen die aktuelle Vorgehensweise als verfassungswidrig eingestuft wird. Anne Lenze bezeichnete die Kürzung der Regelbedarfssätze in einem Interview wörtlich als „Diskriminierung von Behinderten“. Die Verfassungswidrigkeit wird aus dem Gleichheitsgrundsatz abgeleitet, der nicht nur in der Verfassung verankert ist, sondern auch in die UN-Behindertenrechtskonvention Eingang gefunden hat.

Ministerium fordert ganz klar die Kürzung der Hartz-IV-Sätze

Nach den genannten Urteilen des Bundessozialgerichts wäre das Sozialministerium eigentlich in der Pflicht, die Landesarbeitsämter anzuweisen, künftig von den Kürzungen der Hartz-IV-Sätze für Menschen mit Einschränkungen abzusehen. Doch derzeit ist genau das Gegenteil der Fall, wie bekannt gewordene Informationen aus einer Gesprächsrunde im Sozialministerium am 21. Januar 2015 belegen. Dort erhielten die Landesarbeitsämter die Anweisung, trotz der Urteile an der bisherigen Praxis festzuhalten. Nun wird sich der Sozialausschuss des Bundestags am 18. März 2015 mit dieser Problematik beschäftigen.

Umgang der Arbeitsämter mit Empfängern von Hartz IV ist beschämend

Am 16. März 2015 strahlte RTL unter dem Titel „Team Wallraff“ eine Sendung aus, in der aufgezeigt wurde, wie die Arbeitsämter allgemein mit den Hilfsbedürftigen umgehen. Dabei zeigte sich eine katastrophale Situation. Sie beginnt bereits damit, dass die Arbeitsämter selbst viel zu wenig Personal haben. Statt der offiziell ausgewiesenen 150 Hilfsbedürftigen müssen viele Mitarbeiter bis zu 500 Hilfsbedürftige betreuen. Eine echte Begleitung auf dem Weg in einen neuen Job ist so nicht möglich. Was eigentlich Betreuung sein sollte, ist schlicht nur noch eine Massenverwaltung. Die verdeckten Ermittlungen brachten zutage, dass teilweise bei den Ämtern sogar Unterlagen verschwinden, um sie nicht bearbeiten zu müssen. Die Mitarbeiter sind durch den Spagat zwischen einer angemessenen Betreuung und ihren tatsächlichen Möglichkeiten komplett überfordert, was zu einem hohen Krankenstand führt. In einer Leistungsabteilung eines Arbeitsamtes stießen die Reporter von „Team Wallraff“ darauf, dass gerade einmal ein Fünftel der Mitarbeiter verfügbar war. Lange Bearbeitungszeiten über mehrere Monate hinweg sind die Folge, obwohl der Chef des Bundesarbeitsamts in einem Statement von durchschnittlichen Bearbeitungszeiten von acht Tagen sprach. Hilfsbedürftige werden in Maßnahmen gesteckt, die selbst die Mitarbeiter der Arbeitsämter für Unsinn halten. Ziel dieser Vorgehensweise ist es, die Statistik zu bereinigen. In der offiziellen Zahl der Arbeitslosen sind die Menschen in derartigen Maßnahmen und auch die krank geschriebenen Hartz-IV-Empfänger gar nicht mit enthalten. Ein versteckt befragter Mitarbeiter eines Arbeitsamtes gab genau deshalb sogar an, dass sich die Arbeitsämter „über jeden gelben Schein freuen“, den sie vorgelegt bekommen.

Quelle: Focus, RTL

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