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Viele Angestellte profitieren in Deutschland nicht von Tarifverträgen

Euro-Banknoten

In Deutschland steigt die Zahl der Angestellten, deren Lohn nicht auf der Basis eines Tarifvertrags ausgehandelt wird. Das führt zu deutlichen Einkommensdifferenzen.

Tarifverträge sind Kollektivverträge, die den Angestellten eine vernünftige Entlohnung verschaffen sollen. Doch der Anteil der nach Tarifvertrag entlohnten Angestellten ist seit einiger Zeit rückläufig. Das belegen offizielle Zahlen, die von der Bundesregierung als Antwort auf eine Kleine Anfrage aus der Linken-Fraktion im Bundestag vorgelegt wurden. Sie basieren auf den Resultaten einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, in deren Rahmen im Jahr 2021 rund 16.000 Unternehmen befragt wurden.

Wie haben sich die Zahlen zu den Tarifverträgen verändert?

Der Trend geht eindeutig zum Haustarifvertrag, denn der Anteil der auf dieser Basis beschäftigten Menschen stieg binnen zwei Jahrzehnten von 7,9 Prozent auf 9,4 Prozent. Im Jahr 2002 waren noch 59,7 Prozent der Beschäftigten auf der Grundlage eines Branchentarifvertrags angestellt. Bis zum Jahr 2021 reduzierte sich ihr Anteil auf 42,7 Prozent. Erschreckend ist der Blick auf die Zahl der Menschen, deren Entgelt nicht auf den Regelungen eines Tarifvertrags basiert. Er erhöhte sich von 32,4 Prozent im Jahr 2002 auf 48 Prozent im Jahr 2021. Das heißt, im vergangenen Jahr erhielten knapp 19,6 Millionen Beschäftigte in Deutschland kein Entgelt auf der Basis eines Tarifvertrags. Dabei handelt es sich mehrheitlich um Menschen, die im Billiglohnsektor arbeiten. Das zeigt noch einmal sehr deutlich die Notwendigkeit der Anpassung des Mindestlohns, der in Deutschland seit dem 1. Oktober 2022 bei 12 Euro (brutto) pro Stunde liegt. Das war mit einem Plus von 1,55 Euro pro Stunde die größte Erhöhung, die es seit der Einführung des Mindestlohns zu Jahresbeginn 2015 gab.

Deutliche regionale Unterschiede bei der Anwendung von Tarifverträgen

Der Anteil der nicht auf der Grundlage von Tarifverträgen beschäftigten Angestellten lag im vergangenen Jahr mit 55,1 Prozent im Osten deutlich höher als in den westlichen Bundesländern (46,4 Prozent). Aber auch zwischen den einzelnen Bundesländern präsentieren sich signifikante Unterschiede. Spitzenreiter beim Anteil der nicht tariflich entlohnten Beschäftigten war zeitgleich Mecklenburg-Vorpommern mit 58,9 Prozent. Dahinter positionierten sich Sachsen mit 58,3 Prozent und Brandenburg mit 54,4 Prozent. Die wenigsten nicht nach Tarif entlohnten Beschäftigten hatten Bremen mit einem Anteil von 40,7 Prozent, Nordrhein-Westfalen mit 42 Prozent und Rheinland-Pfalz mit 44,6 Prozent. Weitere Unterschiede zeigen sich bei den Betriebsgrößen. In Unternehmen ab 500 Mitarbeiter/-innen wurden nur 13,7 Prozent der Angestellten nicht nach Tarif entlohnt, während der Anteil in Kleinbetrieben mit weniger als 10 Beschäftigten bei 78,7 Prozent lag.

Wie sehen die Einkommensdifferenzen aus?

Bei der Einkommensentwicklung präsentieren sich zwei Schlussfolgerungen. Die Entlohnung ist höher, wenn die Bezahlung auf der Basis eines Tarifvertrags erfolgt, als wenn der Lohn ohne Tarifbindung ausgehandelt wird. Tarifvertragsbindungen haben in den letzten Jahren für stärkere Lohnerhöhungen als Einzelverhandlungen geführt. Mit Tarifvertragsbindung stieg der durchschnittliche Bruttolohn für eine Vollzeitbeschäftigung von 2007 bis 2021 um 1.171 Euro, während die Steigerung ohne Tarifbindung zeitgleich lediglich bei 823 Euro lag. Zwischen den Durchschnittsentgelten mit und ohne Tarifbindung gab es 2021 eine Differenz von 604 Euro (4.351 Euro mit Tarifvertragsbindung, 3.747 Euro ohne Tarifbindung). Auch mehr als drei Jahrzehnte nach der deutschen Wiedervereinigung schlagen noch deutliche West-Ost-Unterschiede zu Buche. Ohne Tarifvertragsbindung lagen die Durchschnittslöhne für Vollzeitbeschäftigungen im Osten mit 2.988 Euro um 902 Euro niedriger als in den Altbundesländern. Mit Tarifvertragsbindung betrug das Defizit im Osten durchschnittlich 622 Euro.

Quelle: Deutscher Bundestag Drucksache 20/3909

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