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Mit dem Spinnennetz zur Gesundheit?

Spinnen sind faszinierende, wenn auch oft gefürchtete Lebewesen. Beeindruckend ist aber ihre Fähigkeit, ein Netz aus Fäden zu spinnen, die drei Mal so belastbar und vier Mal so dehnbar wie Stahl sind, die biologisch sind und überdies Bakterien, Pilzen und sogar Hitze trotzen können. Diese Spinnenfäden sind jetzt die Hoffnung von Forschern – und zwar für die menschliche Gesundheit. Grund dafür ist, dass die so genannte Spinnseide gut verträglich und vom menschlichen Körper problemlos abbaubar sei. Dass Spinnennetze für den Menschen gut sein können, zeigt auch ein Blick in die Vergangenheit. Schon in der Antike legten die Menschen Spinnennetze auf Wunden, um die Heilung zu beschleunigen. In der ganzen Welt arbeiten daher Unternehmen und Forscher daran, die wertvolle Spinnseide künstlich herzustellen oder sie zu gewinnen.

Erste gewonnene Spinnennetze aus München

Die Firma Amsilk aus Planegg bei München arbeitet eng mit der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) zusammen. Schon im vergangenen Jahr präsentierte man das erste Spinnennetz, das vom Menschen hergestellt wurde. Mathias Woker, der Leiter der Geschäftsentwicklung bei Amsilk, erklärt, dass man es lange Zeit für unmöglich hielt, Spinnennetze von Menschenhand erstellen zu können. Man hat aber das Gegenteil bewiesen, auch wenn es schwierig ist, die Fäden zu gewinnen. Grund dafür ist, dass Spinnen sich gegenseitig fressen, wenn sie mit mehreren Artgenossen gehalten werden.

In der Medizinischen Hochschule Hannover setzt man deshalb auf Goldene Radnetzspinnen. Die gelten als besonders friedlich. Insgesamt 150 Tiere beherbergt die Hochschule und fängt diese regelmäßig ein. Die Spinnen werden auf einem Schaumstoffstück mit Gaze abgesetzt, wobei sie ein Stück Faden produzieren. Zieht man an diesem, kommt das einem Fall der Spinne in die Tiefe gleich. Automatisch wird der Faden abgespult. Pro Vorgang entnehmen die Forscher den Spinnen bis zu 200 Meter Faden. Diese Prozedur strengt die Spinnen allerdings sehr an, weshalb sie anschließend mit Wasser und den leicht zu beschaffenden Grillen versorgt werden, um sie bei Kräften zu halten.

Was soll aus den Spinnennetzen werden?

Mediziner wollen die Spinnennetze einsetzen, um Menschen mit durchtrennten Nerven zu helfen. Dabei sollen die Fäden das Leitmaterial darstellen. An diesem können nach Unfällen oder Tumor-OPs Nerven neu entlang wachsen. Die präklinischen Studien seien bereits abgeschlossen. Die angestrebte Methode funktionierte auf Zellkulturen, bei Ratten und Schafen sogar „ausgezeichnet“, heißt es weiter. Beim Schaf konnten bis zu sechs Zentimeter überbrückt werden, ohne dass die eigenen Zellen des Schafes mit eingesetzt worden. Biologen und Mediziner wollen nun die ersten Tests am Menschen starten.

Bereits heute werden von Amsilk Produkte mit Spinnweben-Eiweiß vertrieben. Die Kosmetika bilden laut Woker einen schönen Film und sollen die Haut vor Umwelteinflüssen schützen. Als nächstes Projekt plant man Brustimplantate, die mit der Spinnseide beschichtet sind. Durch diese könnten Entzündungsreaktionen und Verhärtungen im Gewebe verhindert bzw. gehemmt werden. Schon seit mehr als einem Jahr testet man dieses Produkt an Ratten, doch für den Menschen ist es noch nicht auf dem Markt.

Zusätzlich soll die Spinnseide genutzt werden, um Materialien für elastische und leichte Sportkleidung daraus herzustellen. Die soll die Alternative schlechthin für die bisher bekannte Funktionskleidung sein. Sie besteht meist aus Kunststoff und Erdöl und ist damit alles andere als natürlich. Selbst im Militär könnte Kleidung mit solcher Reißfestigkeit entstehen, dass sie sogar vor Minensplittern schützen könne, sind sich die Experten einig.

Künstliche Spinnennetze mit weltweitem Interesse

Auch in Belgien und den Niederlanden, in Japan, Schweden und den USA wird derzeit daran geforscht, künstliche Spinnseide herzustellen und einzusetzen. Die Forscher arbeiten mit genveränderten Seidenraupen, mit Ziegen, in deren Euter spezielle Eiweiße gezüchtet werden sollen und bei Amsilk und an der LMU arbeitet man mit Kulturen genveränderter Coli-Bakterien, mit denen man die nötigen Eiweiße herstellen will.

Schon 2010 waren die molekularen Grundlagen der Fadenproduktion in der Spinndrüse entschlüsselt worden. Ein Jahr später konnte man die Mechanismen ausfindig machen, die für die extreme Festigkeit des Fadens verantwortlich sind. Doch vom Protein bis zum Faden ist es noch ein großer Schritt, wie auch Woker von Amsilk bestätigt. Man betreibe zwar eine Pilotanlage, mit der man aus dem Protein Fasern herstellen kann, doch läuft diese eben noch im Pilotbetrieb.

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