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Häusliche Gewalt in Deutschland: Vielerorts fehlen Schutzeinrichtungen

Couple fighting in an urban area of the city

Meldungen über häusliche Gewalt haben in der Coronakrise zugenommen. Nicht überall können sich die Opfer auf geeignete Schutzeinrichtungen verlassen.

Das Problem der fehlenden Schutzeinrichtungen für Opfer häuslicher Gewalt war Gegenstand einer Kleinen Anfrage von Bundestagsabgeordneten. Inzwischen liegt die Antwort der Bundesregierung vor. Sie bestätigt vor allem die Not von Männern, die in ihren Partnerschaften Gewalt erleben. Für sie stehen nach den offiziellen Angaben der Bundesregierung in ganz Deutschland gerade einmal 29 Plätze in Schutzeinrichtungen zur Verfügung.

Schutzeinrichtungen sind auch für Männer dringend notwendig

Dazu ist ein Blick in die Kriminalstatistik des Bundeskriminalamts interessant. Sie bestätigen, dass die Zahl der Fälle, in denen häusliche Gewalt zu einer Anzeige bei der Polizei geführt hat, seit Beginn der Coronakrise zugenommen hat. Für das gesamte Jahr 2020 wurden 148.031 Opfer gezählt. Das bedeutet im Vergleich mit dem letzten Vorkrisenjahr ein Plus von 4,4 Prozent. Dieser negative Trend hielt auch 2021 an, wie ein Pressestatement der Hilfsorganisation Weißer Ring zur durchschnittlichen Zahl der Hilfsanrufe pro Monat belegt. Danach ist die Anzahl der Gespräche pro Berater/-in pro Monat von 2019 bis 2021 um 300 Fälle angestiegen. Dort gibt es keine Angaben zur Geschlechterverteilung, aber das Bundeskriminalamt liefert detaillierte Daten. Danach waren im Jahr 2020 rund 80,5 Prozent der Opfer häuslicher Gewalt Frauen. Die verbleibenden 19,5 Prozent entfielen auf Männer. Dabei handelte es sich bundesweit um knapp 28.900 männliche Opfer. In knapp drei Viertel aller Fälle (73,8 Prozent) kommt es dabei zu Körperverletzungen. Allein schon diese Zahlen zeigen, dass 29 Plätze für Männer in Schutzeinrichtungen nicht ausreichen.

Auch Frauen als Opfer häuslicher Gewalt finden nicht immer Hilfe

Deutschlandweit gibt es etwa 370 Einrichtungen, in denen Frauen als Opfer häuslicher Gewalt unterkommen können. Allerdings reichen auch dort die vorhandenen Kapazitäten nicht aus. Das belegt eine Umfrage, auf deren Resultate sich die Bundestagsabgeordneten in ihrer Kleinen Anfrage beziehen. Daran nahmen Mitarbeiter/-innen aus rund einem Drittel dieser Einrichtungen teil. 98 Prozent der Befragten gaben an, dass es Lücken bei den personellen und finanziellen Möglichkeiten der Hilfeleistungen gibt. In zehn Prozent dieser Einrichtungen mussten hilfesuchende Frauen bereits weggeschickt werden. Will Deutschland die in Empfehlungen des Europarats umgesetzten Anforderungen der sogenannten Istanbul-Konvention erfüllen, müssten zeitnah allein für Frauen rund 14.000 zusätzliche Plätze in Schutzeinrichtungen geschaffen werden. Die Kapazitätslücke in Schutzeinrichtungen für Männer als Opfer häuslicher Gewalt ist ebenfalls immens, wird aber in der Kleinen Anfrage und der Antwort der Bundesregierung nicht konkret beziffert.

Was ist die Istanbul-Konvention?

Als Istanbul-Konvention wird das im Jahr 2011 geschaffene „Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt“ bezeichnet. Es trat im Sommer 2014 in Kraft. Darin spielt auch die Gleichstellung der Geschlechter bei der Schaffung von Schutzeinrichtungen eine wichtige Rolle. Deutschland ratifizierte das Abkommen im Jahr 2017 mit der Folge, dass die Grundlagen des Abkommens seit Februar 2018 zu den Bestandteilen des Bundesrechts gehören. Allerdings gibt es dabei ein Problem. Die Verantwortung wurde auf die Ebene der einzelnen Bundesländer verlagert. Deshalb präsentieren sich derzeit erhebliche Unterschiede auf Länderebene. Plätze für Männer in geeigneten Schutzeinrichtungen gibt es nach der Antwort der Bundesregierung derzeit lediglich in fünf Bundesländern.

Quelle: Deutscher Bundestag Drucksache 20/366, Bundeskriminalamt, Weißer Ring

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