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Bundesverfassungsgericht: Paragraf 362 Strafprozessordnung muss geändert werden

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Die Bundesregierung muss einen Teil des Paragrafen 362 StPO außer Kraft setzen. Das geht aus einem aktuellen Urteil des Bundesverfassungsgerichts hervor.

Konkret geht es bei den Beanstandungen der Verfassungsrichter/-innen um rechtliche Regelungen zur Wiederaufnahme von Strafverfahren zuungunsten der Verurteilten. Dort hatte der Gesetzgeber in Deutschland erst vor wenigen Jahren neue Möglichkeiten eröffnet. Sie betrafen vor allem die Vorwürfe von Straftaten nach dem Paragrafen 211 des deutschen Strafgesetzbuchs sowie nach den Paragrafen 6, 7 und 8 des Völkerstrafgesetzbuchs. Mit der Ergänzung des 5. Abschnitts im Paragrafen 362 der Strafprozessordnung (kurz stopp) wurde mit der Neuerung die Wiederaufnahme der Verfahren beim Auftauchen neuer Beweise und damit die Aufhebung eines Freispruchs zu Gunsten einer Verurteilung möglich machte.

Abschnitt 5 des Paragrafen 362 der Strafprozessordnung ist verfassungswidrig

Das Bundesverfassungsgericht fällte am 31. Oktober 2023 unter dem Aktenzeichen 2 BvR 900/22 ein Grundsatzurteil, nach dem genau diese Regelung nicht mit den Normen im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland zu vereinbaren ist. Sie beriefen sich in der Urteilsbegründung auf die Regelungen des Artikels 103 des Grundgesetzes. Dort heißt es im Abschnitt 3 wörtlich: „Niemand darf wegen derselben Tat aufgrund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.“
Bei dieser Formulierung stellt sich allein aufgrund der Logik die Frage, ob ein wegen fehlender Beweise im ersten Verfahren erfolgter Freispruch in der Auslegung als Strafe zu bewerten ist. Diesen Gedanken scheinen auch Richter/-innen gehabt zu haben, von denen das jüngste Urteil dazu gefällt wurde, denn sie waren sich nicht einig. Das Urteil fiel mit 6 Pro-Stimmen und 2 Contra-Stimmen. Christine Langenfeld und Peter Müller machten zudem von ihrem Recht zur Abgabe eines Sondervotums Gebrauch. Sie gaben in späteren Pressestatements an, dass für die oben genannten Verbrechen Ausnahmeregelungen gelten sollten.

Wie kam es zu dem Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht?

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts bewirkte ein Mann, der 1983 wegen eines Mangels an Beweisen von einem Mord- und Vergewaltigungsvorwurf freigesprochen worden war. Nach der Einführung des Punkts 5 im Paragrafen 363 der Strafprozessordnung reichte die für den Fall zuständige Staatsanwaltschaft zu Jahresbeginn 2022 einen Antrag auf eine Wiederaufnahme des Verfahrens ein. Inzwischen bestanden durch neu aufgetauchte Beweise hinreichende Belege für eine Täterschaft. Daraufhin reichte der Mann die Verfassungsbeschwerde ein.

Warum musste eine Klarstellung zum Umgang mit Wiederaufnahmeverfahren erfolgen?

Die Wissenschaft entwickelt sich ständig weiter und viele Erkenntnisse und Verfahren lassen sich in der Kriminalistik anwenden. Das beste Beispiel sind seit einiger Zeit die DNA-Vergleichsverfahren. Dabei liefern selbst geringste Rückstände am Tatort zuverlässige Beweise. Sie haben die Ermittlungsarbeit revolutioniert. Im Ergebnis hat das dazu geführt, dass aus viele alte Fälle „neu aufgerollt“ werden, weil sich DNA-Spuren an gesicherten und eingelagerten Beweismitteln finden. Einerseits können dadurch alte Fälle durch die Ermittlung und Anklage der Täter/-innen abgeschlossen werden. Andererseits erfolgt dadurch eine Neubewertung alter Fälle, bei denen die dazugehörigen Strafverfahren bereits durchgeführt wurden. Diese Neubewertungen führen künftig nur noch dann zu einer Wiederaufnahme des Verfahrens, wenn Menschen für Straftaten verurteilt wurden, die sie aufgrund der neuen Beweise nicht begangen haben. Allerdings ist das kein Automatismus, sondern die Betroffenen müssen selbst oder über ihre Rechtsbeistände eine Wiederaufnahme beantragen.

Quelle: Bundesverfassungsgericht 2 BvR 900/22

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