Wer die derzeitigen Diskussionen rund um die
„Lifeline“ zeigt die Notwendigkeit einer europaweit gültigen Regelung
Momentan bewegt sich jeder Kapitän, der in Seenot befindliche Flüchtlinge auf dem Mittelmeer aufnimmt, in einer rechtlichen Grauzone mit vielen Gegensätzen. Einerseits besteht die Verpflichtung aller Kapitäne, Menschen an Bord zu nehmen, die in Seenot geraten sind. Genau das trifft bei den völlig überladenen Flüchtlingsbooten in der Regel zu. Wer die Aufnahme von Menschen in Seenot verweigert, kommt als deutscher Kapitän sogar mit dem Strafgesetz in Konflikt, denn der Paragraf 323c des deutschen Strafgesetzbuchs droht eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr sogar für die unterlassene Hilfeleistung bei allgemeiner Gefahr an. Die allgemeine Gefahr ist bei den Flüchtlingsbooten gegeben. Andererseits können es die Anrainerstaaten aller Meere verweigern, Schiffe in ihre Häfen einlaufen zu lassen, die aus Seenot gerettete Menschen an Bord haben, die keine gültige Einreisegenehmigung für das jeweilige Land haben. Genau diese Rechtslage wurde der Besatzung des vom Dresdener Verein Mission Lifeline betriebenen gleichnamigen Seenotrettungsschiff zum Verhängnis.
Was hat die aktuelle Situation mit der Konferenz von Évian zu tun?
Die gleiche Patt-Situation wie derzeit in Europa gab es in der Geschichte schon einmal. Mehrere Hunderttausend Juden sind aus Furcht vor der Judenverfolgung durch das Naziregime vor und während des II. Weltkriegs in Drittländer geflüchtet. Im Jahr 1938 trafen sich die Vertreter von 32 Staaten sowie zwei Dutzend Hilfsorganisationen, um eine gemeinsame Vereinbarung über die Aufnahme und Verteilung der jüdischen Flüchtlinge zu treffen. Doch die
Lage ist nicht zu 100 Prozent mit der historischen Situation vergleichbar
Einen gravierenden Unterschied zur damaligen Situation gibt es allerdings. Heute kommen viele Flüchtlinge nach Europa, weil sie sich bessere Lebensbedingungen erhoffen. Nicht alle sind wirklich Verfolgte oder unmittelbar von Kriegsereignissen Betroffene. Das heißt, hier müssen neue Möglichkeiten zu einer schnellen und effizienten Differenzierung zwischen beiden Gruppen geschaffen werden, um einen Flüchtlingsstau zu verhindern. Außerdem müssen klare rechtliche Regelungen für die Besatzungen der Schiffe her, die auf dem Mittelmeer unterwegs sind, denn die derzeitige Unsicherheit betrifft nicht nur die Besatzungen der Schiffe der privaten Hilfsorganisationen. Auch die Kapitäne von Frachtern und Kreuzfahrtschiffen können jederzeit mit in Seenot befindlichen Flüchtlingsbooten konfrontiert werden. Wer dann seine Verpflichtung zur Hilfeleistung erfüllt, riskiert, seine Ladung nicht löschen zu können oder mit Tausenden Kreuzfahrturlaubern an Bord eine Irrfahrt antreten zu müssen.
Quelle: StGB, n-tv, Mission Lifeline
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