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Zivilschutz & Katastrophenmedizin: Wie ist Deutschland aufgestellt?

Flash Flood Water

Kann Deutschland der Bevölkerung einen soliden Zivilschutz und eine gute Versorgung durch Katastrophenmediziner bieten? Die Antwort ist herbe Kritik.

Was wäre, wenn Deutschland mit einem Anschlag wie im September 2001 oder unzähligen Verletzten durch die Folgen einer großen Naturkatastrophe konfrontiert werden würde? Reichen dann die Kapazitäten beim Zivilschutz und der Katastrophenmedizin aus? Mit diesen Fragen beschäftigte sich die aktuelle Ausgabe der Bundestagsnachrichten. Die dort präsentierten Informationen zeigen gravierende Lücken und deren Ursachen auf. Wir haben die wichtigsten Schlussfolgerungen für Sie zusammengefasst.

Katastrophenmedizin ist in Deutschland schlecht aufgestellt

Doktor Stefan Gromer gehört zu den Geschäftsführern des Deutschen Instituts für Katastrophenmedizin. Er bemängelt die mangelnde Vorbereitung der medizinischen Einrichtungen und Fachkräfte unter Verweis auf die Flutkatastrophe im Ahrtal. Als Hauptproblem sieht er die mangelhafte Vorbereitung der Mediziner/-innen während ihrer Ausbildung. Dabei gibt es bereits einen vom Institut entwickelten Lehrplan, der als ein Pflichtmodul in das Medizinstudium integriert werden könnte. Dazu gehört auch das Wissen, wie die Notärztinnen und Notärzte in Katastrophenfällen ihre übliche Vorgehensweise umkehren können. Im normalen Alltag werden die Patientinnen und Patienten nacheinander behandelt. In Katastrophenfällen muss das schrittweise gleichzeitig oder nach den Grundsätzen der Triage geschehen.

Zuständigkeiten und Finanzpolitik sind Probleme in der Katastrophenmedizin

Eine weitere Ursache für die Mängel in der medizinischen Versorgung bei Katastrophenfällen sieht Doktor Stefan Gromer in der Zuständigkeit der Bundesländer. Als Beispiel benennt er Kommunikationsprobleme während der Fußball-WM 2006 durch die Nutzung unterschiedlicher Technik. Auch die Folgen der Privatisierung der Krankenhäuser sieht der Mediziner als Problem. Privatwirtschaftlich betriebene Kliniken streben zur Gewinnoptimierung eine hohe Bettenauslastung an (Ziel 95 Prozent). Dadurch fehlen bei Katastrophenfällen die erforderlichen Kapazitätsreserven. Zudem übt er herbe Kritik an den aktuell vorhandenen Möglichkeiten der psychischen Notfallbetreuung und der mangelhaften Wahrnehmung der Eigenverantwortung der Bevölkerung bezüglich der überrückenden Notfallversorgung mit Lebensmitteln.

In Deutschland fehlen beim Zivilschutz flächendeckend Schutzräume

Mit Beginn des Ukrainekriegs rückte das Thema Zivilschutzräume in den Fokus, nachdem es seit dem Ende des Kalten Krieges in Vergessenheit geraten war. Nach den Recherchen der Parlamentszeitung gibt es in Deutschland aktuell nur noch knapp 600 Zivilschutzräume. Dabei wurden sogar schon Tiefgaragen und Bahnhöfe berücksichtigt, die im Ernstfall als Schutzräume in Frage kommen. Dabei zeigen sich gleich zwei gravierende Probleme. Einerseits sind diese Schutzräume durchweg nicht voll ausgestattet und andererseits können sie gerade einmal rund 500.000 Menschen aufnehmen. Mehr als 300 Schutzbunker wurden verkauft und anderen Nutzungen zugeführt. Zu Beginn des Ukrainekrieges wurde ein Verkaufsstopp verhängt.
Parallel verzeichnen Firmen einen Auftragsboom, die private Schutzräume und Panikräume anbieten. Das bestätigt ein Mitarbeiter des Unternehmens Bunker Schutzraum Systeme Deutschland. Beachtenswert ist diese Entwicklung vor allem mit Blick auf die hohen Kosten für private Schutzräume. Sie gewinnen auch deshalb an Bedeutung, weil heutzutage die Vorwarnzeiten so kurz sind, dass es nahezu unmöglich ist, einen öffentlichen Schutzraum zu erreichen. Würde Russland seine schnellsten Raketen auf Deutschland abschießen, beträgt die Vorwarnzeit im schlimmsten Fall weniger als 10 Minuten.

Deutschland hat sich gesetzliche Hürden für Katastrophenfälle geschaffen

Ein weiteres Problem ist, dass die deutschen Gesetze für eine Vielzahl von Katastrophen keinen Ausnahmezustand vorsehen, bei dem Rechte aus dem Grundgesetz außer Kraft gesetzt werden können. Dazu gehört beispielsweise die Palette der Naturkatastrophen. Das verschafft den Bürger/-innen die Möglichkeit, auch die temporären Regelungen für die Bekämpfung der Folgen von Katastrophen vor den Verwaltungsgerichten und dem Bundesverfassungsgericht anzugreifen. Den Beweis liefern unzählige Klagen gegen die Regelungen zur Eindämmung der Coronakrise. Sie hat außerdem gezeigt, dass die Teilung der Verantwortung zwischen dem Bund und den Ländern bei den Reaktionen auf Katastrophen sehr hinderlich sein kann.

Quelle: Deutscher Bundestag

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