Im aktuellen
Was sind fiktive Mängelbeseitigungskosten?
Der Begriff Fiktion stammt vom lateinischen „fictio“ ab und lässt sich wörtlich mit Annahme und Unterstellung übersetzen. Im deutschen Recht gibt es eine Fiktion an mehreren Stellen. Dabei gelten Annahmen als rechtliche Tatbestände, obwohl sie tatsächlich nicht realisiert werden. Ein solcher Fall liegt im Schadenersatzrecht vor. Das typische Beispiel findet sich bei der Regulierung von Unfallschäden, wenn Gutachter einen wirtschaftlichen Totalschaden einschätzen. In dem Fall muss die gegnerische Haftpflichtversicherung (eventuell mit Abschlägen) den Wiederbeschaffungswert auch dann ersetzen, wenn der geschädigte Unfallbeteiligte das Fahrzeug nicht verschrotten lässt. Im konkreten Verfahren V ZR 33/19 zum Schadenersatz geht es in ähnlicher Weise um die voraussichtlichen Kosten der Beseitigung von Mängeln an einer Eigentumswohnung innerhalb des vereinbarten Haftungszeitraums. Der Bundesgerichtshof geht im Urteil davor aus, dass es auch hierbei unerheblich ist, ob die Mängelbeseitigung tatsächlich erfolgt oder nicht.
Welche Rechtsgrundlagen sind für das Urteil maßgeblich?
Der BGH betont in der Urteilsbegründung, dass das Urteil VII ZR 46/17 auf den aktuellen Fall nicht anzuwenden ist. Die Unzulässigkeit der Zugrundelegung von fiktiven Mängelbeseitigungskosten gilt nach der aktuellen Begründung nur für Werkverträge, nicht aber für Kaufverträge. Das heißt, die alleinige Anwendung des Paragrafen 634 des Bürgerlichen Gesetzbuchs scheidet aus. Ergänzend müssen bei der Regulierung von Mängelansprüchen aus Kaufverträgen die Inhalte der Paragrafen 280, 281 und 437 BGB beachtet werden. Alle drei Rechtnormen sichern dem Käufer das Recht auf Schadenersatz zu, der auch fiktive Mängelbeseitigungskosten beinhaltet.
Wie kam es zum BGH-Urteil zu den Mängelbeseitigungskosten?
Kläger sind die Käufer einer Eigentumswohnung. Sie vereinbarten im Kaufvertrag eine Sachmängelhaftung, einigten sich aber parallel auf eine Vereinbarung, nach welcher der Verkäufer die Kosten für die innerhalb einer festgelegten Frist auftretenden Schimmelschäden tragen muss. Es traten tatsächlich Schimmelschäden auf, doch der Verkäufer wollte nur den Anteil übernehmen, der für die Beseitigung der Schäden am Gemeinschaftseigentum entfiel, nicht aber die Kosten für die Schadensbehebung am alleinigen Eigentum des Käufers. Beide Vorinstanzen (Landgericht Krefeld und Oberlandesgericht Düsseldorf) kamen zur gleichen Rechtsauffassung wie der Bundesgerichtshof. Danach muss der Verkäufer auch den fiktiven Anteil der Kosten für die Mängelbeseitigung am Einzeleigentum als Schadenersatz erstatten.
Quelle: Bundesgerichtshof V ZR 33/19 (PM54/2021)
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