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Urteile B 4 AS 44/15 R und B 4 AS 59/13 R: Sozialhilfe für EU-Zuwanderer

ParagrafenzeichenWer in Deutschland sein Glück sucht, musste in den vergangenen Jahren auf eigenen Beinen stehen. EU-Zuwanderer, die nach Deutschland kamen, um dort eine Arbeit zu suchen, waren stets von den sozialen Sicherungssystemen ausgeschlossen. Damit ist nun Schluss. Das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel hat mit den Urteil B 4 AS 44/15 R und B 4 AS 59/13 R nun entschieden, dass EU-Zuwanderern Sozialhilfe zustehe.

Nach dem Urteil sind EU-Bürger, die nur nach Deutschland kommen, um Sozialleistungen zu erhalten oder erstmals eine Arbeit zu suchen, generell vom Hartz-IV-Bezug ausgeschlossen. Die seit Jahren umstrittene Regelung landete nun vor dem BSG, das entschied, dass der Ausschluss von Hartz IV weiter bestehen bleibt. Allerdings müssen die EU-Bürger nach einem sechsmonatigen Aufenthalt in Deutschland Sozialhilfe erhalten. Die ursprüngliche Regelung, EU-Bürger von allen Sozialleistungen auszuschließen war vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) gekippt worden. Sie ist laut dem Urteil aus dem September nicht mit EU-Recht vereinbar.

Sicherung des Existenzminimums über Sozialhilfe

Das BSG hat sich in seinem Urteil an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gelehnt. Laut dieser gibt es ein Grundrecht auf Sicherung des Existenzminimums und demnach müssten Personen, die vom Hartz-IV-Bezug ausgeschlossen sind, von den Sozialämtern dahingehend überprüft werden, ob Sozialhilfe als Ermessensleistung zu gewähren ist.

Nach den Urteilen des BSG in Kassel müssten die Aufenthaltsgründe in Deutschland sowie die Dauer des Aufenthalts bei der Prüfung berücksichtigt werden. Nach sechs Monaten sei das „Ermessen der Behörden“ allerdings „auf Null“ geschrumpft, so dass den EU-Bürgern in Deutschland Sozialhilfe gewährt werden müsse.

Eigentlich ist die Sozialhilfe nach Angaben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales auf „bedürftige Nichterwerbsfähige und bedürftige Personen über 65 Jahre“ begrenzt. Dabei geht es vor allem um die „Hilfe zum Lebensunterhalt oder Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung“. Ob ein Anspruch auf Sozialhilfe besteht, ergibt sich je nach Einzelfall aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Existenzminimum oder dem Gleichbehandlungsgrundsatz, so die Richter in Kassel.

In den Urteilen sprach das BSG einer bereits 2008 aus Rumänien gekommenen Familie Sozialhilfeleistungen für das Jahr 2012 zu. Grund dafür sei ihr mittlerweile in Deutschland „verfestigter Aufenthalt“. Weitere zwei Klagen hat das BSG an die Vorinstanzen zurück verwiesen, um den Sachverhalt weiter aufzuklären.

Wann erhalten EU-Bürger Sozialhilfe in Deutschland?

Generell ist es EU-Bürgern erlaubt, in einem anderen Land nach Arbeit zu suchen. Dafür haben sie drei Monate Zeit. Die Ausländerbehörden müssen nach der Kasseler Rechtsprechung nach Ablauf dieser Frist den rechtmäßigen Aufenthalt für beendet erklären. Nur dann ließe sich ein „verfestigter Aufenthalt“ und damit einhergehend ein Anspruch auf Sozialhilfe ausschließen.

Haben die EU-Bürger jedoch eine Arbeit in Deutschland gefunden, wenn auch nur vorübergehend, so gelten sie selbst nach der Entlassung für sechs Monate als Arbeitnehmer. Damit hätten sie Anspruch auf Hartz IV und im Anschluss daran auf Sozialhilfe.

Wie aus Schätzungen des Landessozialgerichts Essen hervorgeht, leben in ganz Deutschland rund 130.000 EU-Bürger, die hierzulande eine Arbeit suchen. Sie stammen vorwiegend aus Bulgarien und Rumänien. Ein großer Teil von ihnen dürfte aufgrund des „verfestigten Aufenthalts“ nun Anspruch auf Sozialhilfe haben. Leben die Menschen bereits über fünf Jahre in Deutschland, besteht übrigens ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht und mit diesem einhergehend ein Anspruch auf Hartz IV.

Quelle: N-TV

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