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Papier als Alternative zur Plastiktüte? Nicht wirklich

Plastiktüten und –produkte gelten gemeinhin als gefährlich für die Umwelt. Sie verschmutzen Umwelt, Meere und Co., bedrohen Lebewesen und belasten das eigene ökologische Gewissen. Umso mehr liegen umweltfreundliche Produkte im Trend. So verlassen sich Verbraucher gerne auf „biologische“ oder „ökologische“ Produkte. Doch wirklich besser sind diese nicht immer.

Angeblich umweltfreundliches Bioplastik oder kompostierbare Behältnisse sind dabei derzeit groß angesehen. Die Einwegverpackungen versprechen eine höhere Umweltfreundlichkeit – doch was ist dran?

Welchen Sinn machen biologisch abbaubare Kaffeekapseln?

So verkauft die Firma Velibre aus Bremen biologisch abbaubare Kaffeekapseln. Der Absatz funktioniert weltweit, was nicht zuletzt an der Werbung mit Stars wie George Clooney liegt. Laut Angaben der Firma Nestlé werden die Kaffeekapseln für Nespresso-Maschinen mittlerweile in über 60 Ländern der Welt vertrieben.

So erklärt Walter Hasenclever, Sprecher bei Velibre, dass herkömmliche Kaffeekapseln riesige Müllmengen produzieren. Die Velibre-Kapseln dagegen bestünden vollständig aus Rohstoffen, die im Erdreich oder auf dem Kompost biologisch abgebaut werden könnten. Allerdings hängt der Abbau der Kapseln von unzähligen Bedingungen ab, wie man bei genauerem Nachlesen erfährt. Temperatur und Umgebung spielen etwa eine wichtige Rolle. Die Laboruntersuchungen fanden etwa bei Raumtemperatur statt und zeigten, dass die Kapseln trotzdem erst waren.

Biotechnologin Petra Weißhaupt vom Umweltbundesamt erklärt, dass dies eindeutig zu lange ist. Normalerweise müssten die Kapseln in den Restmüll wandern, denn in den industriellen Anlagen kann die Kompostierung des Biomülls in maximal zwölf Wochen erfolgen.

Das hat mittlerweile auch Velibre erkannt und extra eine Kapsel aus Papier entwickelt. Diese soll ebenfalls komplett kompostierbar sein, sich aber bereits innerhalb weniger Wochen zersetzen. Bis zum soll die neue Papier-Kaffeekapsel auf den Markt kommen. Sie besteht aus Zuckerrohrfasern, die mit Wasser und einem natürlichen Bindemittel zu einem feinen Brei gemahlen und anschließend in Form gepresst werden. Hasenclever ist sich „sicher, dass man eine umweltfreundliche Alternative“ gefunden hat.

Auch Papier-Kapseln verpacken zu oft

Anders sieht das Thomas Fischer von der Deutschen Umwelthilfe (DUH), der kompostierbare Kapseln für eine Verbrauchertäuschung hält. Schließlich kann es grundsätzlich nicht ökologisch sinnvoll sein, Kaffee grammweise zu verpacken, so der Umweltwissenschaftler aus Berlin.

Generell ändert sich auch durch kompostierbare Kapseln nichts an dem unnötigen Aufwand „des ressourcenfressenden, klimaschädigenden Verpackungssystems“. Das Umweltbundesamt (UBA) und die Deutsche Umwelthilfe sehen auch Biokunststoffe kritisch. Fischer kritisiert, dass die Biokunststoffe die „immer größer werdenden Mengen kurzlebiger und ressourcenvergeudender Wegwerfverpackungen“ legitimieren sollen.

Bislang ist die Ökobilanz der Biokunststoffe nicht einen Deut besser als die von Plastik aus fossilem Rohöl. Herkömmliche Verpackungen haben sogar den Vorteil, dass sie im Gelben Sack landen und anschließend recycelt werden. Biokunststoffe werden dagegen häufig vor dem Kompostieren aussortiert und verbrannt.

Problematisch ist auch, dass der Anbau von Kartoffeln, Mais und Zuckerrohr für Bioplastik viel Dünger und Sprit sowie Pestizide benötigt. Zudem müssen die Pflanzen nach der Ernte aufwändig verarbeitet werden, wodurch es zu weiteren Umweltbelastungen komme.

Einwegtüten aus Papier nicht besser als die Plastiktüte

Ebenso wenig hält DUH-Experte Fischer Einwegtüten aus Papier für sinnvoll. Sie schneiden hinsichtlich der Ökobilanz nicht besser ab als Plastiktüten, ganz im Gegenteil. Für deren Herstellung werden sehr lange und sehr reißfeste Zellstofffasern benötigt. Die können aber nur entstehen, wenn extrem viel Energie, Wasser und Chemikalien in der Produktion eingesetzt werden. Außerdem benötige man für eine Papiertüte doppelt so viel Material wie für eine Plastiktüte, um die gleiche Reißfestigkeit zu erhalten. Damit schneidet die Papiertüte sogar noch schlechter ab, was den Ressourcenverbrauch angeht, als die Plastiktüte.

Daher müsse man es sich zum Ziel setzen, generell auf Einwegtüten zu verzichten, wie Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe erklärt. Er spricht davon, dass wir generell „keine Einwegverpackungen – egal aus welchem Werkstoff – sondern Mehrwegsysteme zur Schonung von Ressourcen und zum Schutz der Ozeane vor Müllteppichen“ brauchen.

Generell sei zwar die Idee gut, den Rohölverbrauch zu reduzieren und vermehrt auf nachwachsende Rohstoffe zu setzen. Allerdings müssten die Abfallvermeidung und die Mehrwegalternativen das oberste Ziel sein.

Mehrwegverpackungen nur selten zu finden

Allerdings sieht es derzeit überhaupt nicht nach einer Trendwende hin zu Mehrwegverpackungen aus. Wie das EU-Projekt BioCannDo berichtet, boomt der internationale Markt mit Bioplastik. In den nächsten fünf Jahren erwarten die Experten hier ein Wachstum von satten 20 Prozent. Vor allem im Bereich der Spielzeuge für Kinder erwarten die Firmen große Gewinne. So sei eine immer größere Zahl an Spielsachen aus Bioplastik, die Nachfrage seitens der Eltern ist groß, basiert laut BioCannDo aber auf falschen Erwartungen.

Tatsächlich setzen auch viele große Firmen, darunter etwa Lego, auf Produkte aus nachwachsenden Rohstoffen. So will der Konzern seine Bausteine bis 2030 nicht mehr aus Plastik auf Erdöl-Basis herstellen, sondern stattdessen nachhaltige Verpackungen und Rohmaterialien verwenden. Allerdings stimmt die Annahme, Spielzeug aus Bioplastik, sei automatisch nachhaltiger und sicherer, nicht. So sind laut Martin Wagner von der Technisch-Naturwissenschaftlichen Universität Norwegens in Trondheim auch beim Bioplastik chemische Zusätze nötig, die das Spielzeug flexibel und widerstandsfähig machen. Allerdings fehlen bisher Untersuchungen über diese Zusätze im Bioplastik, so dass man kaum etwas über etwaige gesundheitliche Risiken für Kinder wisse.

Quelle: dpa

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