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Neues Verbraucherinsolvenzverfahren: In drei Jahren schuldenfrei?

Zum 01. Juli 2014 tritt die Reform der Verbraucherinsolvenz in Kraft, die verspricht, dass Verbraucher schneller, nämlich innerhalb von nur drei Jahren, schuldenfrei werden können. Doch was bringt das neue Verfahren den Schuldnern tatsächlich? Und welche Folgen hat die neue Insolvenzregelung für die Gläubiger? Alleine im letzten Jahr mussten 91.000 Verbraucher in Deutschland den Gang zum Insolvenzgericht vollziehen. Jetzt sollen die Verbraucher sich schneller von ihren Schulden befreien lassen können. Doch sowohl die Experten im Insolvenzrecht wie auch die Verbraucherschützer bekunden Zweifel an der Wirksamkeit?

Verbraucherinsolvenz: Nach drei Jahren zur Restschuldbefreiung

Die wesentliche Änderung im Verbraucherinsolvenzverfahren ist, dass Schuldner bereits nach drei Jahren die ersehnte Restschuldbefreiung erlangen können. Allerdings ist diese Regelung an sehr klare, strenge Vorgaben geknüpft. So müssen Verbraucher innerhalb dieser drei Jahre mindestens 35 Prozent der Forderungen der Gläubiger und die Verfahrenskosten für Gericht und Insolvenzverwalter abtragen können. Nur dann kann die frühzeitige Restschuldbefreiung erfolgen.

Michael Bretz, ein Sprecher der Auskunftei Creditreform, sagt, dass der Erfahrung nach kaum jemand in der Lage ist, einen so hohen Teil der Schulden abzutragen. Durch die zusätzlich zu tragenden Kosten des Verfahrens könnte aus der Quote von 35 Prozent schnell eine Quote von 60 Prozent werden. Das kann so nicht funktionieren, sind sich die Experten einig. Sie verweisen außerdem darauf, dass Schuldner in Europa im Schnitt nach drei Jahren schuldenfrei sein können, man sich in Deutschland trotz der Verbraucherinsolvenz-Reformen aber noch lange nicht in diese Richtung bewege.

Trotzdem können Verbraucher nach der Reform früher schuldenfrei werden – und zwar nach fünf Jahren. Innerhalb dieser Zeit müssen sie aber zumindest die Kosten für das Gericht und den Insolvenzverwalter abgetragen haben. Diese Kosten liegen bei mindestens 1.500 bis 2.000 Euro, bestätigen Verbraucherschützer. Zwar gehen einige Experten davon aus, dass man diese verkürzte Dauer des Verfahrens künftig häufiger in Anspruch nehmen werde, für die absolute Mehrheit werde es aber bei den bisherigen sechs Jahren bis zur Restschuldbefreiung bleiben. Denn weniger als ein Drittel der betroffenen Schuldner kann auch nur die Verfahrenskosten begleichen.

Weitere Änderungen bei der Verbraucherinsolvenz

Mit den Reformen gehen auch weitere Änderungen einher. Diese betreffen insbesondere das Insolvenzplanverfahren, das man bereits für Unternehmen kennt. Dabei müssen die Höhe der Entschuldung und der Zeitraum, in dem diese erfolgt, individuell festgelegt werden. Die noch verbleibenden Schulden können dann schneller erlassen werden.  Allerdings muss die Quote dabei höher als beim Regelinsolvenzverfahren liegen und die Verfahrenskosten müssen vom Schuldner ebenfalls beglichen werden.

Sinnvoll ist das Insolvenzplanverfahren vor allem dann, wenn Freunde oder Familie einen größeren Geldbetrag zur Abtragung der Schulden zur Verfügung stellen können. Diese Änderung bringt laut Experten die einzige wirkliche Entlastung für die Schuldner nach den neuen Regelungen. Im Idealfall kann mit dem Insolvenzplanverfahren die Insolvenz innerhalb weniger Monate vom Tisch sein.

Zusätzlich profitieren Mieter, die bei Wohnungsgenossenschaften mieten. Sie müssen für ihre Wohnungen oft einen Anteil einzahlen. Diese Einlagen können bereits seit letztem Sommer nicht mehr gepfändet werden. Die Folge einer solchen Pfändung war dann oft, dass die Mieter aus der Wohnung flogen. Allerdings ist die Pfändungsfreigrenze mit 2.000 Euro angesetzt, darüber hinaus gehende Anteile dürfen weiter gepfändet werden. Mietkautionen sind hingegen generell tabu.

Hat die Reform des Verbraucherinsolvenzverfahrens nachteilige Folgen für Gläubiger?

Bretz betont, dass Gläubiger sich nicht fürchten müssen, dass die Reform der Verbraucherinsolvenz jetzt Tür und Tor zum Schuldenmachen öffnet. Er geht davon aus, dass Gläubiger künftig sogar etwas mehr Geld zurück erhalten könnten als bisher.

Grund dafür: Hatte der Schuldner einen Kredit abgeschlossen, erhielten Banken für die ersten zwei Jahre des Insolvenzverfahrens eine Lohnabtretung, mit der sie auf Teile des Einkommens zugreifen konnten. Diese entfällt künftig, wodurch die Insolvenzmasse, aus der die Gläubiger bedient werden, sich erhöht. Allerdings werden zuerst die Landesjustizkassen entlastet, weil die Verfahrenskosten als erstes getilgt werden müssen.

Wie werden die Änderungen der Verbraucherinsolvenz insgesamt gesehen?

Inkassounternehmen sehen die Reform der Verbraucherinsolvenz eher kritisch. Marion Kremer, die Vize-Präsidentin des Bundesverbands Deutscher Inkasso-Unternehmen (BDIU) fürchtet, dass Verbraucher die Reform als falsches Signal verstehen könnten. Sie würden von einer leichteren Entledigung von ihren Zahlungsverpflichtungen ausgehen. Für Gläubiger würde sich dadurch mehr ändern, denn die Gefahr, Schulden zu machen und diese auch zahlen zu müssen, würde von Verbrauchern als weniger gering eingeschätzt.

Andere Experten gehen nicht davon aus, dass sich Verschlechterungen für Gläubiger ergeben. Sie sind der Meinung, dass die meisten Schuldner oft jahrelange Leidenswege hinter sich haben, in denen sie mit allen Mitteln versuchten, eine außergerichtliche Einigung zu erzielen. Erst dann würde überhaupt der Antrag auf eine Insolvenz gestellt.

Verbraucherschützer betrachten die Reform der Verbraucherinsolvenz ebenfalls kritisch. Die aktuellen Regelungen können nicht zu dem Ziel führen, innerhalb von nur drei Jahren schuldenfrei zu sein, hier besteht aus Verbraucherschützer-Sicht noch deutlicher Nachbesserungsbedarf. Auch Christoph Niering, der Vorsitzende des Verbrandes der Insolvenzverwalter Deutschlands (VID), hält die Reform nicht für so gelungen, wie ursprünglich erhofft.

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